in Interview

Nachfragerückgang nach zweitem Lockdown deutlich spürbarer

Thomas Krutzler, Chef der People’s Air Group über die Lage bei der Airline People’s und beim Flughafen Altenrhein, schnelle Ticketrückerstattungen, Staatshilfe und die Flottenplanung.

Als der Vorarlberger Geschäftsmann und Investor Markus Kopf im Jahr 2010 zum alleinigen Besitzer des Airports St. Gallen-Altenrhein wurde, hatte er zunächst nur ein gewinnbringendes Immobilieninvestment im Sinn. Der kleine Schweizer Flughafen liegt direkt am Bodensee nur unweit der österreichischen Grenze, ist für die private, geschäftliche und gewerbliche Fliegerei von essenzieller Bedeutung und für die Bevölkerung der 4-Länder-Region die direkteste Abbindung in die Österreichische Hauptstadt Wien und in das weltweite Netz der Flugindustrie. Um die Rendite dieses Investments auf einem konstanten Niveau zu halten, war es nach Angaben von Inhaber Markus Kopf notwendig, eine Fluglinie zu gründen, welche eine direkte Anbindung nach Wien sicherte. Dabei konnte der Geschäftsmann bereits auf frühere Erfahrungen der Fluglinien Rheintalflug und Austrian Airlines setzen, die diese für Industrie und Wirtschaft so wichtige Verbindung über Jahrzehnte betrieb.

Am 28.März 2011 hob die neu gegründete People´s Viennaline mit Hauptsitz in Wien-Schwechat mit einer zuvor gekauften 76-sitzigen Embraer 170 zu ihrem Erstflug in die österreichische Bundeshauptstadt ab. Innerhalb kürzester Zeit hatte Markus Kopf mit seiner People´s Air Group ein weltweit einzigartiges Projekt geschaffen. So verfügte der Eigentümer nicht nur über seinen eigenen Privatflughafen, sondern auch über seine eigene Airline, die ab dem Jahr 2013 als Monopolist auf der gewinnbringenden Wien-Strecke flog.

Im Jahr 2016 erfolgte der Versuch Linienflüge zwischen St. Gallen-Altenrhein – Friedrichshafen und Köln zu etablieren. Zwar konnte man mit dem kürzesten Linienflug zwischen St. Gallen-Altenrhein und Friedrichshafen für weltweite Schlagzeilen sorgen, doch wirtschaftlich rechnete sich die Verbindung nach Köln nicht, weshalb man das kostspielige Projekt nach nur vier Monaten wieder beendete. In Folge wurde die dafür eingesetzte zweite Embraer 170 Maschine vorwiegend für das stark wachsende Segment der Charter-/Subcharterflüge sowie Incentive-Reisen speziell in den Bereichen der Autoindustrie und Sport eingesetzt.

Im Herbst des Jahres 2018 machte People´s Schlagzeilen, als ein Embraer 190 E2 im Rahmen eines Demonstrationsfluges nach St. Gallen-Altenrhein kam. Daraufhin wurde die Anschaffung eines E190 E2 angedacht, doch nach einer intensiven Evaluierungsphase entschied sich Markus Kopf gegen ein neuerliches Investment in Millionenhöhe. Anstatt das Unternehmen weiter wachsen zu lassen, gesinnte man sich wieder auf seine alten Stärken zurück. Gerade noch rechtzeitig vor Ausbruch der Covid-19 Pandemie verkaufte man im Jänner 2020 den zweiten E170 Jet an ein amerikanisches Leasingunternehmen und konzentrierte sich auf das bewährte Liniengeschäft nach Wien sowie ein attraktives Charterflugprogramm ab St. Gallen-Altenrhein.

aeroTELEGRAPH bat People´s Air Group CEO Thomas Krutzler zu einem ausführlichen Interview über die aktuelle Entwicklung und weiteren Pläne des Unternehmens:

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf das diesjährige Geschäft der People‘s Air Group? Die Corona-Pandemie hat für die weltweite Luftfahrtbranche eine beispiellose Krise ausgelöst. Auch die People’s Air Group verzeichnet Umsatzverluste für 2020, sowohl im Airline- als auch Airportgeschäft.

Wurden ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, kam es zu Kündigungen? Wir haben die letzten Monate u.a. dazu genutzt, das Unternehmen für die (sehr herausfordernde) Zukunft zu rüsten. Dabei wurden Strukturen und Organisationen angepasst, es kam dabei leider auch zu Kündigungen. Kurzarbeitsanträge wurden für alle Unternehmensbereiche eingereicht, sowohl in der Schweiz als auch in Österreich.

Wie haben Sie das Thema der Ticketrückerstattung geregelt, wie lange mussten People‘s Kunden auf ihr Geld warten? Die People’s hat hier großartige Arbeit geleistet; die Rückerstattungen wurden ausnahmslos innerhalb von maximal 48 Stunden abgehandelt.

Sie haben am 15.Juni den Flugbetrieb nach dem Lockdown wieder aufgenommen, wie hat sich das Geschäft über den Sommer entwickelt? Im Liniengeschäft den Erwartungen entsprechend. Der Nachfragerückgang infolge des zweiten Lockdowns ist hingegen deutlich spürbarer – und deshalb kam es auch zu den Frequenzanpassungen im Dezember. Im Chartergeschäft konnten wir nur einen geringen Anteil der geplanten Flüge durchführen. Die ständigen Anpassungen der Einreise- und/oder Quarantänebeschränkungen haben auch in diesem Segment zu einem Nachfrageeinbruch geführt.

Im gesamten Dezember bieten Sie nur fünf regelmäßige Linienflüge zwischen Wien und St.Gallen-Altenrhein an. Gibt es auf der Verbindung, die früher mehrmals täglich bedient wurde derzeit keinen Bedarf? Wie erwähnt ist die Nachfrage anlässlich des zweiten Lockdowns drastisch eingebrochen.

Um einen Eindruck zu bekommen, wie hoch war den zuletzt die durchschnittliche Auslastung ihrer Flüge? Zu gering, um den ursprünglich geplanten Flugplan aufrecht zu erhalten. Es gilt weiterhin, einen Cash-Out möglichst zu verhindern.

Sie betreiben derzeit nur einen einzigen E170 Jet, setzen Sie auch in Zukunft auf diesen Flugzeugtyp? Wir haben mit unserer OE-LMK ein modernes und zuverlässiges Flugzeugmuster, in welches wir nachhaltig investiert haben. Stichworte dafür; vollumfängliche Wartung und Triebwerksüberholung.

Die Planungen für das nächste Jahr haben vermutlich schon längst begonnen, wie soll das Charter und Liniengeschäft im Jahr 2021 aussehen? Wir planen im Liniengeschäft einen sukzessiven Auf- und Ausbau der Frequenzen von/nach Wien – abhängig von den gültigen Restriktionen und einhergehender Nachfrage.
Im Chartergeschäft planen wir – gemeinsam mit unseren Reiseveranstalterpartner Rhomberg Reisen und High Life Reisen – ein attraktives Ferienprogramm mit insgesamt 10 Destinationen ab Altenrhein sowie Calvi ab Memmingen.

Das Jahresende steht vor der Türe, wie hoch wird der Passagierrückgang gegenüber dem Vorjahr sein? Im Linien- und Chartergeschäft müssen wir mit rund 70% weniger Passagieren rechnen.

Sie werden vermutlich mit ihrer Fluglinie Verluste schreiben, werden Sie beim österreichischen Staat um finanzielle Unterstützung ansuchen? Wir werden nichts unversucht lassen und prüfen mit unseren Partnern vor Ort die dafür vom Staat festgelegten Möglichkeiten.

Wie hat sich das Geschäft des Airport St.Gallen-Altenrhein in den letzten Monaten entwickelt? Die Anzahl der Bewegungen im Bereich General/Business Aviation haben sich seit der Wiedereröffnung Mitte Mai rasch erholt. Der Rückgang der Linien- und Charterflüge hinterlässt hingegen eine bedenkliche Spur.

Das Business Aviation Geschäft ist weniger von der Krise betroffen als andere Bereiche der Luftfahrt. Wie verlief bei ihnen das Sommergeschäft? Wie erwähnt hat sich dieser Sektor rasch erholt und wir können mit der Entwicklung durchaus zufrieden sein.

Das World Economic Forum 2021 findet zum ersten Mal nicht im schweizerischen Davos statt. Ein schwerer Schlag für den People‘s Airport? Ein Schlag, ja. Wir werden ihn aber verkraften (müssen) und sind zuversichtlich, dass wir ab 2022 wieder damit rechnen können.

Viele kleine Regionalflughäfen haben mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, können Sie als Flughafen im Privatbesitz um Unterstützung beim Schweizer Staat ansuchen? Wie auch in Österreich werden wir in der Schweiz nichts unversucht lassen. Wir haben beidseits der Grenzen hervorragende Partnerschaften mit Banken und weiteren Geldinstituten.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des Geschäftes, rechnen Sie schon im Sommer mit einer Normalisierung der Lage? Ich bin verhalten optimistisch. Bis zu einer „Normalisierung“ dürfte es noch länger dauern – Impfstoff hin oder her. Wir als People’s Air Group stellen uns auf jeden Fall auf eine längere herausfordernde Zeit ein.

Martin Dichler

Dieser Artikel wurde auf aeroTELEGRAPH.com veröffentlicht: https://www.aerotelegraph.com/interview-peopels-air-group-thomas-krutzler-nachfragerueckgang-wegen-zweitem-lockdown-deutlich-spuerbarer