Blickt man auf die letzten Jahre zurück, so stand Ukraine International Airlines (UIA) als größte Fluggesellschaft des Landes vor fast unlösbaren Problemen. Die Krimkrise und die damit verbundenen Sanktionen, die zunehmende Konkurrenz durch die aggressiven Billigflieger am heimischen Markt und nicht zuletzt das Boeing 737 MAX Grounding, von denen die Fluglinie im Jahr 2019 drei Stück übernehmen hätte sollen, machten es der Fluglinie fast unmöglich wirtschaftlich erfolgreich zu operieren.
Dass Ukraine International Airlines (UIA) trotz zahlreicher Krisen noch am Markt besteht, hat man einer Person zu verdanken. Yuri Miroshnikov war mehr als 25 Jahre lang, davon 15 Jahre in seiner Funktion als CEO für das Unternehmen tätig und formte UIA zu einer global agierenden Fluglinie. Am 12.September beendete er seine Tätigkeit im Vorstand der Fluggesellschaft und wechselte in den Aufsichtsrat.

Martin Dichler erhielt am 5.September ein exklusives Interview, in dem er mit dem Luftfahrtprofi über die aktuellen Herausforderungen von Ukraine International Airlines sprach:
Gleich zu Beginn eine persönliche Frage, Sie haben während der Aufbauphase jahrelang mit Österreichern zusammengearbeitet. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit unserem Land?
Yuri Miroshnikov:
Ich habe sehr gute, sehr emotionale und vor allem sehr herzliche Erinnerungen an die Menschen und das Land! Austrian Airlines war für uns nicht nur jahrelang ein guter Partner, sondern auch ein Vorbild, von dem wir viel lernen konnten. Ich liebe Wien, habe aber bei zahlreichen Reisen auch viel vom Rest des Landes kennen lernen dürfen.
Sie arbeiteten seit dem Jahr 2004 als CEO bei UIA. Wie hat sich ihrer Meinung nach das Business in den letzten Jahren verändert?
Es ist schwieriger geworden! Der Markt hat sich stark dahingehend verändert, dass sich das einst exklusive Produkt des Fliegens, sich nur noch auf die grundlegenden Bedürfnisse des Reisenden reduziert hat. Das ist zwar weniger romantisch als früher, aber umso praktischer für den Kunden. Das ist der Trend und die Realität, mit der die Fluglinien aber heute leben müssen.
UIA ist kein Low Cost Unternehmen, bietet aber viele gleichwertige Services. Wo sehen Sie ihre Stärken im Kampf mit den Low Costern?
In unserem speziellen Fall ist es wahrscheinlich das Netzwerk, dass wir anbieten. Wir können nicht auf der Kostenseite mit den Low Cost Airlines im Punkt zu Punkt Verkehr konkurrieren, aber unsere Flugzeuge mit Umsteigegästen (6.Freiheit) zu attraktiven Destinationen füllen. Natürlich nimmt der Druck der Low Cost Airlines in der Ukraine weiter zu, wir werden uns aber den zukünftigen Herausforderungen stellen.

Ungefähr die Hälfte (49,3%) ihrer Kunden sind Transitpassagiere. Haben ihre Langstreckenverbindungen hier das Interesse angekurbelt und wie zufrieden sind Sie mit den Strecken?
Wir sind sehr zufrieden! Unser Langstreckennetz ab Kiev ist klein, in Richtung Westen bieten wir Flüge nach New York und Toronto und im Osten nach Delhi, Bangkok und Peking. Es ist wichtig, dass wir den Ukrainern die Möglichkeit von transkontinentalen nonstop Verbindungen bieten können, die dankenswerterweise auch von unseren Transitpassagieren gerne genutzt werden. In Anbetracht dessen überlegen wir den Ausbau und eine Frequenzverdichtung der Verbindungen, sobald wir unsere Langstreckenflotte ausbauen.
Wie sieht es mit der Entwicklung ihrer Langstreckenflotte aus? Neben jüngeren Boeing 777 betreiben Sie ja auch noch drei Boeing 767 die schon älter als 27 Jahre sind?
Die Boeing 767-300ER wird unsere Flotte bald verlassen! Wir sind gerade auf der Suche nach einem geeigneten Ersatz dafür, dies könnten einerseits Flugzeuge der Boeing 777 Familie sein, aber auch sobald die Probleme gelöst sind, eine zukünftige Langstreckenversion der Boeing 737MAX für Routen mit weniger Bedarf.
Welche Bedeutung hat der Inlandsverkehr für UIA?
Ein besonders wichtige! Ich würde sagen die Inlandsflüge sind für UIA nicht nur das Butter am Brot, sondern das Brot selbst! Circa zwei Drittel aller Inlandsfluggäste fliegen über unseren Hub in unserem Streckennetz weiter. Derzeit steuern wir alle Flughäfen in der Ukraine an, die in der Lage sind, unsere Flugzeuge abzufertigen. Die Regierung investiert hier gerade in den Ausbau der Infrastruktur, um das regionale Angebot weiter zu verbessern. Im Gegensatz zum europäischen Zugsverkehr sind die Ticketpreise für die Bahn in der Ukraine aber sehr günstig, weshalb viele preisbewusste Ukrainer das kostengünstigere Zugsangebot wohl weiter nutzen werden.

Wie wirken sich eigentlich die russischen Sanktionen auf den täglichen UIA Flugbetrieb aus?
Wir leiden natürlich darunter, dass wir nicht den russischen Luftraum nutzen können. Dasselbe gilt aber auch für die russischen Fluglinien. Der ehemals starke Punkt zu Punkt Verkehr zwischen den beiden Ländern wird heute von anderen Airlines über deren Hubs in Polen, Moldawien und Weißrussland gemacht.
UIA hat in den letzten vier Jahren sein Angebot massiv ausgebaut. Wie hat sich das heurige Jahr bisher entwickelt, erwarten Sie eine Verbesserung der Ergebnisse?
Die weitere Entwicklung von UIA wird von drei Faktoren eingebremst: Erstens sind in der Ukraine die Flugsicherungsgebühren viel höher als im Rest Europas, zweitens wird Kerosin hier mit 32 USD pro Tonne besteuert und zu guter Letzt müssen wir Aufgrund der Besetzung der Krim und des Donbass sowie durch das Überflugsverbot über Russland, Verbrauchsineffizient fliegen. Seit dem Jahr hatten wir zusätzliche Ausgaben in der Höhe von 216 Mio. USD zu verkraften, die unsere Performance natürlich beeinträchtigt hat. Unter diesen Umständen ist es derzeit unmöglich weiter zu expandieren. Wir sind aber optimistisch was die Zukunft bringt, den der neu gewählte Präsident und die Regierung des Landes sind daran interessiert die Probleme zu lösen. Das Jahr 2019 wird ein Jahr der Konsolidation.
Das Boeing 737 MAX Grounding war ein schwerer Schlag für UIA, gibt es schon erste Einschätzungen wie hoch die Zusatzkosten für ihr Unternehmen sind, nachdem Sie drei Boeing 737 Max nicht wie geplant übernehmen konnten?
Es wird wohl eine zweistelliger (USD) Millionen Betrag werden, den wir durch das MAX Grounding heuer zusätzlich zu tragen haben. Wir mussten den Flugplan anpassen, Flüge streichen oder konnten durch kleineres angemietetes Fluggerät nicht jene Erträge einfliegen, die eigentlich eingeplant waren. Das MAX Thema hat sehr komplexe und negative Auswirkungen auf unseren Flugbetrieb im heurigen Jahr, den aus einer geplanten Stabilisierung des Unternehmens, wurde eine ungeplante Reduzierung unseres Angebotes.
Haben Sie schon Schadenersatzforderungen an Boeing gestellt?
Die Flugzeuge, die wir übernehmen hätten sollen, sind alle geleast. Es stellt sich daher die juristische Frage, welche Forderungen wir überhaupt an Boeing stellen können. Trotzdem werden wir aber Boeing fragen, inwieweit man einen langjährigen Boeing Kunden wie UIA gedenkt zu unterstützen? Wir hoffen aber, dass man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen wird.
Das MAX Desaster nimmt kein Ende, wann rechnen Sie mit einer Übernahme?
Wir planen nicht mit einer Übernahme der Boeing 737MAX im kommenden Jahr. Sollte es aber unerwartet doch noch dazu kommen, dann wird es positive Bereicherung für unseren Flugbetrieb sein. Derzeit benötigen wir aber eine Planungssicherheit und nachdem die Zukunft der MAX noch ungewiss ist, planen wir Sie derzeit nicht ein.
Martin Dichler
Dieser Artikel wurde im Fachmagazin traveller (Ausgabe 31.2019) veröffentlicht!

